Rückblick: 10 Jahre Spetsnaz – Electronic Body Music redefiniert

spetsnaz promoOhne Spetsnaz gäbe es die momentane Electronic Body Music Szene nicht. Klingt gewaltig, ist aber so. Genau eine Dekade lang sorgen Pontus Stålberg und Stefan Nilsson bereits dafür, dass diese Richtung wieder so etwas wie eine Identität bekommen hat. Ein Blick zurück in die bewegten letzten 10 Jahre.

10 Jahre Spetsnaz

2001 war die Richtung Electronic Body Music seit geraumer Zeit eigentlich mausetot. Von den Größen dieses Genres gab es wenig oder nur Mittelmäßiges zu hören, kraftvolle neue Acts wie etwa Ionic Vision waren die Mangelware.

Klar, das Label EBM hatten sich viele Bands selbst verpasst, stilistische Ähnlichkeit zu den Pionieren oder ein qualitativ solider Grundstock war hingegen erschreckend selten zu erkennen. Eher weichgespülter 08/15 Techno mit teilweise diffusen, überdrehten Gesangseffekten, um dann doch irgendwie düster oder hart zu klingen.

Um nicht zu pauschalisieren: Natürlich traf man ab und an auf spannende Neuerungen abseits des klassischen EBM-Sounds: Bands mit guten Songwriterfähigkeiten tönen in verschiedenen Soundgewändern überzeugend und so hat fast jedes Subgenre potente Vertreter. Vieles unter dem Schlagwort EBM klang hingegen sehr gewollt, aber oft wenig gekonnt. Eine erschreckende Monokultur.

Bemängelte man dies, erzählten einige Leute mit bräsigem Blick irgendwas von “Innovation” und “Weiterentwicklung”. Immer schön alles nachquatschen. Natürlich sind seit Mitte der 90er Jahre abgenudelte Trancesounds DIE Ausgeburt an Innovation. So was passiert, wenn man zu viele Werbeanzeigen in Szenezeitschriften ließt.

Und dann stolperte man über eine schlichte Website – die Spetsnaz Website. Dort gab es zwei kostenlose Tracks: Bloodsport und To The Core. Und siehe da, genau das fehlte. Es gibt einfach nichts, was Authentizität in der Musik ersetzt. Vermutlich stimmen dem Vertreter diverse Musikrichtungen zu. Genau die kehrte mit den Schweden in die EBM zurück.

Spetsnaz - Pontus Stålberg
Spetsnaz – Pontus Stålberg

Spetsnaz – Etappen der Bandgeschichte

Der Start – Octoberland

Los ging es eigentlich schon im Jahre 1999 mit dem ersten Projekt von Pontus Stålberg: Octoberland klangen auf ihrem Album Mindhaven zwar noch recht synthiepoplastig und musikalisch lange nicht so stringent wie später Spetsnaz, jedoch deuteten Tracks wie Recurrent Stroke die zukünftige Richtung bereits an.

Erste Spetsnaz Tracks: To The Core/Bloodsport

Spetsnaz gründeten sich 2001 explizit als old school EBM Formation. Bewußt kontrastierte sich die Band von technoiden Future Pop und Dark Electro Klängen und versuchte den Spirit der Electronic Body Music – namentlich solcher Bands wie Nitzer Ebb, D.A.F. oder Front 242 – zu erneuern.

Tatsächlich erhielt die Band für die damals auf ihrer Homepage erhältlichen Songs To The Core & Bloodsport ein positives Feedback. Sie sprach damit vor allem genervte EBM Hörer an, die mit den vorherrschenden Richtungen wenig anfangen konnten.

Das Debüt – Grand Design

Die erste Tonträger Grand Design wurde 2003 auf SubSpace Communications veröffentlicht, 2004 schnappte sich das aufstrebende deutsche Label Out Of Line die Band und brachte Grand Design Redesigned auf den Markt.

Bei der sich mittlerweile langsam sammelnden old school Bewegung schlug das Album ein wie eine Bombe: Die dynamischen Sounds sowie der gekonnte und sehr Nizer Ebb nahe Gesang von Shouter Pontus Stålberg überzeugten auf ganzer Linie. Mittlerweile gilt das Album selbst als Meilenstein.

Der Durchbruch – Perfect Body

Mit der ebenfalls 2004 veröffentlichen Maxi Perfect Body schaffte die Band den Schritt in neue Hörerkreise.

Nicht der live sehr beliebte Titeltrack That Perfect Body, sondern der bewußt monoton eingespielte Shouter Apathy entwickelte sich zum Hit – selbst in Discotheken, in denen klassische EBM eher weniger lief.

Die Band gewann neue Hörer und Apathy sorgte dafür, dass sich auch jüngeres Publikum zumindest in Teilen dafür interessierte, was EBM eigentlich ist.

Spetsnaz - EBM-Duo aus Schweden

Spetsnaz – das schwedische EBM-Duo bringt seit über 10 Jahren Bewegung in die Szene

Nachschlag – Degenerate Ones MCD & das Album Totalitär

2005 wurde die Maxi Degenerate Ones nachgeschoben. Der Track zeigt deutlich die Qualität der Band in Hinblick auf Songwriting und Melodie, ohne dabei an Wucht zu verlieren.

Das 2006 erschienene Album Totalitär setzte den Weg konsequent fort und überzeugte durch verbesserte Produktion. Reign Of Wolves etablierte sich dabei als live gerne eingeforderter Favorit.

Spetsnaz eröffneten neue Perspektiven, in dem sie mal poppigere Töne anschlugen oder mit rhythmisch variablen Songs wie Uniform überraschten. Der Beitrag You ist nach wie vor so etwas wie ein Geheimtipp.

Hardcore Hooligans

Die EP Harcore Hooligans kam 2006 auf den Markt und entwickelte sich zu einem der beliebtesten Songs in Spetsnaz Fankreisen. Vor allem live sorgt der Titel bei den den eh schon ruppigen Konzerten für ordentlich Bewegung.

Die Band vergrößerte durch zahlreiche qualitativ sehr gute Livekonzerte – u.a. 2006 auf dem Mera Luna – ihren Bekanntheitsgrad enorm.

Support von And One & die Krise

Im Spätherbst 2006 supporten Spetsnaz die deutschen Bodypopper And One. Nach dem Konzert in Düsseldorf kam es zu massiven Streitigkeiten zwischen Pontus Stålberg und Stefan Nilsson, so dass sich die Band sofort auflöste. Eine weitere Zukunft schien undenkbar.

2007: Die Reunion

Nach knapp einem halben Jahr Funkstille rauften sich beide doch wieder zusammen – ein umjubelter Liveauftritt auf dem Familientreffen von Electric Tremor folgte.

Deadpan – das reifste Album

Mit Deadpan erschien Ende 2007 ein Album, das nicht jedem Fan der ersten Stunde sofort zusagte. Seine Qualität zeigte sich nach mehrmaligem Hören. Neben offensichtlichen Hits wie dem schon bekannten Hardcore Hooligans bietet es mit Askew und dem eindringlichen Nothing But Black echte EBM Perlen.

Hinzu treten recht synthiepopnahe Tracks wie Faustpakt oder Allegiance, die erneut die gesanglichen Fähigkeiten der Schweden untermauern und schlichtweg mit ausgereiften Melodien überzeugen. Die Band wirkte eigenständiger und trat aus dem Schatten ihrer Vorbilder heraus.

Das Nebenprojekt: Turnbull A.C´s

Im Frühjahr 2008 erklang völlig überraschend die Ankündigung eines Nebenprojektes, das so etwas wie den bösen Bruder von Spetsnaz darstellen sollte: Die Turnbull A.C´s.

Nach kurzer Produktionszeit erblickte das Album Let´s Get Pissed das Tageslicht und punktete durch seine direkte Art vor allem bei EBM Fans, die sich eine nahtlose Fortsetzung von Grand Design gewünscht hatten.

Und tatsächlich sind Tracks wie Rejected oder Man Made Modern Maschines echte EBM Stomper und zählen zu den Highlights 2008.

Der Unterschied des Projekts, das aus Pontus Stålberg und seinem langjährigen Freund Lars Karlsson besteht, zu Spetsnaz ist allerdings nicht sehr gravierend, so dass man sich schlichweg über neue, direkte EBM Songs freuen konnte. Befürchtungen, dass die Turnbulls Spetsnaz ablösen sollten, erwiesen sich als unbegründet.

Verstärkte Livepräsenz

Spetsnaz traten seit 2008 wieder verstärkt live auf und gaben im Spätherbst 2008 einige Konzerte in den USA. Für die Band ein weiterer Schritt nach vorne. Auch in Richtung Osten blickte man: Das Duo spielte im Februar 2009 in Moskau.

Es folgten noch mehr Auftritte, Spetsnaz sind dadurch außerhalb der EBM-Szene bekannt und etabliert.

Spetsnaz - Stefan Nielsson
Spetsnaz – Stefan Nielsson

2011 – ein Album naht in einer neuen Musiklandschaft

Heute, im September 2011, feiern Spetsnaz 10 Jahre Bandgeschichte. Das nächste Album ist im Kasten, kein Schnellschuss, das letzte Werk liegt immerhin vier Jahre zurück.

Seit 2001 hat sich viel getan. Einige EBM “Dinosaurier” wie Nitzer Ebb, Leaether Strip, Front 242, Vomito Negro, Portion Control oder Front Line Assembly zeigen sich (live) extrem vital, teilweise mit guten bis sehr guten Alben im Gepäck.

Ein ganzer und fast kaum zu überblickender Haufen neuer EBM Bands folgte. Viele aus Schweden, einige aus Deutschland, Belgien oder Italien. Mittlerweile sogar fast weltweit.

Beispiele? Container 90, Jäger 90, EkoBrottsMyndigheten, T.W.A.T., Spark, NTRSN, No Sleep By The Machine, Combat Voice, Combat Company, E-Driver 69, Blood Shot Eyes, Autodafeh, Proceed, Batch ID, Human Steel, A.D.A.C. 8286. Es gibt noch viel mehr.

Anfangs noch klar am minimalen Nitzer Ebb/D.A.F. Schema orientiert, weitet sich die stlitische Breite seit geraumer Zeit extrem. Komplexe Arrangements finden sich zunehmend – ebenso wie Vertreter des kalten belgischen EBM Sounds.

Frische Ideen kommen hinzu, eine natürliche Entwicklung ohne den Druck, innovativ sein zu müssen (ein Widerspruch in sich). Die Basis ist, dass diese Bands abseits musiktheoretischer Vorgaben Lust auf ihre Musik haben. Etwas, das Spetsnaz ganz sicher grundlegend eingeleitet haben.

Spetsnaz Links

zur Spetsnaz Facebookseite
zur Turnbull A.C´s Facebookseite



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1 thought on “Rückblick: 10 Jahre Spetsnaz – Electronic Body Music redefiniert”

  1. Sigrun sagt:

    “Frische Ideen kommen hinzu, eine natürliche Entwicklung ohne den Druck, innovativ sein zu müssen (ein Widerspruch in sich).” Klasse formuliert!! Danke für den Artikel, Klangwelt und “skål für helvete!”, Spetsnaz. Auf viele weitere Jahre!!

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