Review: NTRSN – ‘Hardlines’

ntrsn-hardlinesAnaloge Konsequenz ohne Kompromisse. Das hatten sich die belgischen old school Elektroniker NTRSN (Intrusion) schon beim Debüt People Like Gods selbst verordnet. Hardlines treibt das Soundfeuerwerk voran und klingt doch anders als der Vorgänger.

NTRSN – Hardlines

Musik von NTRSN ist mehr als nur Knöpfe drücken und vorgegebene Klänge arrangieren. Es ist Forschung, Leidenschaft und emotionale Reinigung gleichzeitig. Töne handgemacht, so eigen, dass sie moderne Electromusik mitunter als konforme Masse erscheinen lassen.

Hardlines, das zweiten Album, erinnert daran, dass Faszination abseits purer Funktion ein Teil der elektronischen Musikgeschichte ist. Mehr als einmal verbreitet sich ein diffuses Feeling, wie es Cabaret Voltaire seinerzeit so gut entwickeln konnten. Im Gegenzug dominieren ausgearbeitete Rhythmen, deren Marschbefehl die Beine nicht ignorieren können.

In den Vordergrund drängen beim neuen NTRSN Werk ebenfalls klassische Industrial-Fragmente. Nicht im Sinne harter Lärmorgien, sondern mehr in Form subtiler Aggressivität. Schräge Klänge, gepresste Vocals und dissonante Ideen flankieren die glasklaren Sounds.

Analoge Eleganz

Das Titelstück Hardlines führt den Hörer in entrückte und fast verloren geglaubte Welten mit skurrilen alten Geräten voller mechanischer Optionen. Gezogene Hebel verursachen ein charmantes Flirren, Schalter evozieren zischende Sounds – der Soundtrack einer retrospektiven wie hyperrealen Reise.

Hardlines ist eine einzige Spaceodyssee voller Eleganz. Begleitet von einer mit entrücktem Gesichtsausdruck vorgetragenen Songidee. Nostalgisch, klar intoniert und doch so professionell modern produziert. Zeitlos ist das Wort der Wahl – ein Höhepunkt des Werks.

Obwohl auf gradlinige, eisenharte Nummern wie Man Is Machine oder Coming End dieses Mal verzichtet wurde, bilden Red Day oder Talking Blue einen treibenden und rhythmischen Gegenpol zu den moderaten Passagen des Albums. Songs mit einer kämpferischen Subline, sie lassen den kantigen Analogsound fast physisch greifbar erscheinen.

Schade ist einzig, dass die bekannte Vorabnummer Burn My Flesh nicht auf dem Album zu finden ist. Rein stilistisch hätte der Song mit den genannten härteren, eher EBM-nahen Ideen reibungslos harmoniert.

Dosierte Vocals & trackartige Strukturen

Auffällig der reduzierte Gesang. Viele Titel spielen mit Sounds, gemahnen gar an die frühen Klangforschungsphasen in der Musik. Sie stellen Töne vor, bündeln diese und im Endeffekt resultiert daraus ein vielschichtiges und tanzbares Soundgewand mit rapiden Stimmungswechseln.

Höhepunkt dabei die zunehmende Dynamik und Dichte in Electric Love. Man bemerkt diese vielleicht im ersten Durchgang gar nicht bewusst, weil sie im Hintergrund agiert. Später ist ein Ignorieren zwecklos.

Cutting und Move On seien hier stellvertretend für alle “Tracks” im klassischen Sinne genannt. Die Struktur ist der des frühen Technos – nicht zu verwechseln mit einem Teil des verbreiteten 90er Jahre Geklimpers – gar nicht so unähnlich.

NTRSN begnügen sich damit aber nicht: Beizeiten locken bösartige Samples, schräge Klänge und Vocaleinschübe den komplex arrangierten Vorwärtsdrang auf, SPK lässt als Ideengeber gekonnt grüßen.

Gerne mit Voodootouch, zu hören bei We Look Twice. Der experimentelle Background der Belgier schlägt dann gerne zu. Man soll sich ja nicht zu wohl in der NTRSN Klangkunst fühlen,

Talking Strangers setzt der zeitweilig beklemmenden Szenerie energisch die Krone auf. Fast ein Filmsoundtrack, das alte Klinik Thema Talking To A Stranger assoziativ aufgreifend.

NTRSN – pro Individualität

Das Album Hardlines setzt die typisch analoge NTRSN Linie konsequent und doch modifiziert fort. Einzigartige Sounds und Stimmungen bilden die Essenz des Albums – mal tanzbar, dann wieder verschroben. Ein Konzeptwerk, eingebunden in stimmungsvolle In- und Outros.

Der Fokus auf neuartige Klänge sorgt dafür, dass die schneidende Härte des Debüts steckenweise nicht erreicht wird. Dafür steht die anvisierte Psycho-Akustik-Reise im Vordergrund. Melodien integrieren sich spielerisch in die neuen NTRSN Songs, aber sie dominieren diese (gewollt) nicht. Ein Soundtrip, der sicher etwas Zeit braucht, – geeignet nicht nur für Nostalgiker. Ein Statement gegen Presetsounds und für Individualität.

Wertung: 9 von 10 Punkten (9/10) Klangwelt Musiktipp

Hardlines Release Infos

Interpret: NTRSN
Label: Sigsaly Transmissions
Release: 11.11.2011
Stil: EBM/Industrial/Avantgarde

Tracklisting:
1 Parascope (Intro)
2 Red Day
3 We Look Twice (Afronica)
4 Talking Blue
5 Cutting
6 Move On (And No Stop)
7 Electric Love
8 You and You
9 Hardlines
10 Talking Strangers
11 Chromatic Move
12 Secret Smile
13 Parascope (Outro)
14 Electric Love (Autodafeh Remix)
15 Electric Love (Parade Ground Mix)



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