Wenn in Kassel gut gelaunte Gäste mit langen Fahrtzeiten eintreffen, teilweise sogar aus Belgien oder der Schweiz, dann ist dies ein untrügliches Zeichen dafür, dass ein EBM Stomp über die Bühne fegt. Und tatsächlich, am 7.3.2015 war es im Panoptikum soweit, ein sehr abwechslungsreiches Line-up begeisterte Freunde der Electronic Body Music.
Winter Stomp 2015 in Kassel
Ganz ohne etwas Stress geht es bei den kultigen Stomps nie, und so musste leider kurzfristig der Ausfall des geplanten Soundtechnikers kompensiert werden.
Dies gelang insgesamt gut, die Bands halfen sich gegenseitig aus, größere Verzögerungen wie beim letzten Mal blieben dennoch aus. Alles war in einem guten Flow, Improvisation und Soundabmischung gelungen.
Apropos “Flow”, die Getränke flossen wieder zu fairen Preisen aus den Zapfhähnen und dementsprechend zügig aus der Hand des freundlichen Personals in die durstigen Kehlen. EBM impliziert Bewegung und die fordert ihren Tribut im Flüssigkeitshaushalt.
Weit angereist das Publikum, Kassel eint die Musikfans, die Gäste selbst stammen eher weniger der hessischen Metropole; Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.
Die Auftritte
Combat Company
Combat Company eröffneten wieder, fast schon ein Ritual. Weil viele Gäste währenddessen eintrafen, sicher nicht so leicht, aber die Truppe rund um Eli van Vegas hat damit aufgrund ihrer Stomperfahrung keinerlei Probleme.
Die Jungs spielen möglichst viel live ein, daran sollte man immer denken, die Company geht nicht den sicheren Weg mit ergänzenden Sounds, sondern man setzt auf ein aufwendiges, organisches Liveerlebnis.
Ganz zu Beginn harmonierten die Drums nicht ganz, aber dann sprangen Sound und Funke über, die Leute begannen zu tanzen. Die Band nahm sie gekonnt auf ihrem rhyhmischen Streifzug durch das abwechslungsreiche Songrepertoire mit, stets unterlegt von passend inszenierten Clips. Auftakt gelungen.
NZ
NZ spielten anschließend ihrer allerersten – und mit viel Spannung erwarteten – Auftritt. Und was für einen – ein absolutes Highlight, das offensichtlich akribisch vorbereitet wurde.
Die klaren Shouts saßen ebenso gnadenlos wie der satten Drums – eine Powermixtur, ideal für Freunde eines klaren, extrem antreibenden EBM-Sounds in bester NEP-Tradition. Schnell verflog die Nervosität angesichts des ersten Livegigs.
Und so war der ganze Raum postwendend in Bewegung: Der Schweiß floss in Strömen über die zuckenden Körper, die Jungs kamen an ohne Ende, wurden frenetisch angeschrien, shouteten motiviert zurück, da machte auch die ein oder andere längere Pause zwischen den Liedern wenig aus.
Vielleicht waren die Österreicher angesichts der extrem positiven Resonanz selbst überrascht.
In dem Sequenzerfeuerwerk befanden sich erfreulicherweise zudem neue Tracks, die nahtlos an die Topqualität der ersten beiden EPs anschlossen, eines sogar mit dem Isn´It Funny .. Gedächtnisbasslauf.
Ein EBM-Feuerwerk für Stomper, genau so muss das sein, was für eine NZ-Bühnenpremiere!
Pokemon Reaktor
Pokemon Reaktor taten anschließend gut daran, das positive Grundfeeling zügig aufzunehmen und schickten erst mal ihre Mädels raus, um die bandeigene elektronische Crossover-Mixtur mit Rotzattitüde einzuläuten. Rock´n Roll, Baby!
Die Verstrahlten boten eine mitreißende, bisweilen chaotische Show, ebenfalls gespickt mit richtig gut klingenden neuen Nummern. Etwas röhriger als beim FT inszeniert, blieben die Gäste gleich in Bewegung, nahmen die Power der Band spielend auf.
Ein, zwei Titel klangen mittendrin etwas zu übersteuert, das tat dem Gig aber keinen Abbruch. Steam, Pressure, Drill & Kick It. So war´s! Ein Farbklecks, optisch und akustisch. Hart-elektronisch geht auch bunt, ohne blöd zu sein.
Coinside
Zugegeben, trotz mehrerer Anläufe gelang es aus der hiesigen Perspektive bisher nicht, einen stabilen Bezug zu den dann spielenden Coinside aufzubauen. So etwas gibt es einfach und die Band selbst weist ja ganz fair darauf hin, dass sie einen ureigenen Ansatz verfolgt. Und das ist einfach zu respektieren.
Fakt aber auch, dass Coinside nicht wenige treue Anhänger haben und die kamen auf ihre Kosten. Sie nahmen den düsteren Sound wohlwollend auf und feuerten die Band kontinuierlich an. Natürlich im Gepäck der bekannte Hexenhammer.
Plastic Noise Experience
Zeit für eine besondere Stunde: Der Headliner PNE agierte nicht nur gut, sondern fast magisch. Ein unglaublich zackig-zischender Sound, perfekt abgemischt und mit einer Wucht in den Raum geprügelt, dass Stillstehen ein Frevel gewesen wäre.
Plastic Noise Experience kommen in kleineren Sälen offensichtlich nochmals intensiver herüber als auf Outdoor-Bühnen, auf denen sie bisher schon eindrucksvoll performten.
Die fesselnde Mimik und Gestik von Frontmann Claus Kruse verlieh dem Gig einen künstlerisch hochwertigen Charakter. Fast wie ein schizoider Robo-Mensch-Hybrid anmutend, zog er das Publikum in seinen Bann, führte sie durch die vielen Highlights der Bandgeschichte.
Das Ritual oder Memory Flow zahlen zu den prägenden Genreklassikern und schüttelten das Publikum mächtig durch, die neuen Tracks wie z.B. Control standen dem in nichts nach.
Absolut gekonnte Coverversionen von Paraconts D-Ranged oder das abschließende und extrem wuchtige Moving Hands (The Klinik) fügten sich nahtlos in das extrem stimmige Liveset ein, da war er wieder, der “Flow”.
Das saß, mental und körperlich, ebenfalls ein Glanzlicht.
Party und Perspektive
Flugs ging es nach dem Ende der Auftritte mit der musikalisch 100%ig passenden Aftershow weiter. Wer noch Saft in den Beinen hatte, nutze selbigen reichlich und frönte satten alten und neuen EBM-Klängen.
Veteranen und Jungspunde im fairen Mix. Ein absolut gelungener EBM Auftakt 2015, der hoffentlich weitergeht. Danke an alle Verantwortlichen und alle Bands.
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