Review: 2nd Face – ‘Nemesis’

Cover: Nemesis

Cover: NemesisMit dem Signing von 2nd Face und ihrer lang erwarteten Scheibe Nemesis verbindet das etablierte Dependent Label die Hoffnung, auch bei der härteren elektronischen Fanfraktion wieder Fuß zu fassen. Eine ohne Zweifel geschickte und gute Wahl, spricht die junge Band doch einerseits die klassischen EBM/Industrial Hörer an und distanziert sich dennoch gleichzeitig von zu vorhersehbaren Strukturen.

2nd Face – Nemesis

Der Name des Albums klingt natürlich mehr als bedeutungsschwanger: In der frühen und klassischen griechischen Mythologie ist Νέμεση – lateinisch: Nemesis – die Göttin des gerechten Zornes. Glaubt man den Mythen, dann bestraft sie vor allem die menschliche Selbstüberschätzung, Stichwort: Hybris.

Zudem gilt Nemesis oftmals als ewige Gegenspielerin, sie ist Erzrivalin oder Todfeindin. Etwas, vor dem man Angst haben sollte und damit ein bedrohliches Thema. Selbiges spiegelt sich in den Texten des gleichnamigen Albums von 2nd Face ebenso wider wie in ihrer Musik – und die hat es in sich.

Kann man eigentlich derbe und anspruchsvoll zugleich agieren? Traut man den jungen Musikern aus dem Rhein-Main-Gebiet, dann verdient diese Frage bei intensivem Hinhören ein klares Ja. Schon der Opener Instinct erinnert in seiner dunklen Wucht positiv an die geilen alten Vomito Negro Tage.

Es ist finster und schweißig im zwielichtigen Stahlwerk, dieses Bild suggeriert die oft aufgeladene Stimmung ebenso wie die erbarmungslos ratternden Bässe und die allgemein kantige Soundauswahl.

Rohe und geschickt inszenierte Tracks mit Profil

Bei den Vocals agiert man geschickt: Härtere Tracks wie etwa die packenden und discotauglichen Movement, Divine oder 1st Of His Name werden mit passender, aber nicht übertriebener Distortion vorgetragen. Sie sind sehr strukturiert, tönen “belgisch” und wirken so präsent, dass man sie fast anfassen und schütteln möchte.

Doch die Stimme wird auch variiert und kommt bei Nummern mit moderater Härter und Tempo natürlicher zum Einsatz. Fast etwas an Bill Leeb gemahnend, ohne dass die Nähe zu eng ausfällt. In solchen Momenten schält sich aus dem rohen Konstrukt eine feine und subtile Stimmung, die eben dadurch fasziniert, dass man sie sich als Hörer erarbeitet.

Modern Industrial?

2nd Face zeichnet aus, dass sie ihre Ausrichtung geschickt mit passenden und auch aktuellen Impulse anreichern, so fiel bereits das Schlagwort Modern Industrial zur Beschreibung der Band. Wenn man bedenkt, was so alles in den letzten Jahren unter diesem streitbaren Label durchflutschte, kann einem schon Angst und Bange werden.

Doch 2nd Face korrigieren dies gekonnt: Noisige Impulse integrieren sich ebenso in ihr Soundbild wie dezente Drum&Base Elemente. Immer so, dass es passt – und das wirkt belebend und frisch. Dazu kommen hörbare Vorlieben für Bands wie M&TF sowie die Fähigkeit, differenzierte Soundlandschaften zu arrangieren, das zeigen viele instrumentale Passagen.

All diese Einflüsse und das durchaus eigenwillige Songwriting sorgen für Wendungen und Überraschungen. Das gilt für die rhythmische Ausarbeitung ebenso, wie für die dynamische Eigenlogik der Tracks. Etwas Zeit sollten anspruchsvolle Musikfans dem Werk demnach gönnen, mitunter tritt die Wirkung verzögert, dann aber explizit auf.

Man sollte sich als Hörer nie zu wohl in seinen Erwartungen fühlen. “Ich weiß wie es weitergeht”, dieser Gedanke ist auf diesem Album auch eine mögliche Art der Selbstüberschätzung. Nemesis straft den Hörer lügen.

Fazit: Ein wirklich starkes Debüt für alle old school EBM Freunde, die in ihrer Musik einen richtigen Industrial-Einschlag brauchen. Perfekt und grob gleichzeitig, im Rahmen des Ansatzes variantenreich umgesetzt und manchmal zudem angenehm markerschütternd. Kein Zweifel, von diesem Projekt wird man weiterhin hören, ein frühes Highlight 2017.

Wertung: 8.5 von 10 Punkten (8.5/10)

Nemesis Release Infos

Interpret: 2nd Face
Label: Dependent
Release: 17.02. 2017
Stil: Industrial/EBM

Tracklisting:
01. Instinct
02. Movement
03. Divine
04. Mindlapse
05. Nemesis
06. Deathspread
07. Weapon
08. Brother
09. 1st Of His Name
10. Now You Can See
11. Punisher
12. Insanity

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