Die erhöhte Velvet Acid Christ Aktivität der jüngsten Zeit mündet im neuen Album Ora Oblivions. Darauf reichen VAC ihren Fans ebenso die Hand wie dem Wahnsinn, welcher seit Gründung stets mehr oder minder offenkundig mitschwang. Konsequenterweise geht es inhaltlich um das Thema Selbstzerstörung. Das können Menschen bekanntlich ganz besonders gut, Irrsinn als kollektiver Habitus.
Velvet Acid Christ – Ora Oblivions
Velvet Acid Christ behandeln selbstzerstörerische Tendenzen, das Thema spiegelt sich im Design der Tracks konsequent wider. Bekannterweise frönte Bryan Erickson a.k.a. Disease Factory zeitweise bewusstseinserweiternden Substanzen, um neue Stimmungen zu kreieren, um jene Windungen seines Gehirns zu erkunden, deren Zutritt normalerweise verboten ist.
Manchmal reicht allerdings der Blick in die destruktive Welt, vielleicht auch in die eigene bewegte Vergangenheit, um getriggert zu werden.
Was fällt explizit beim 2019er Velvet Acid Album auf? Nun, ein analoges Grundfeeling zieht sich bei der Soundauswahl konsequent durch das ganze Werk. Es verleiht den bisweilen intensiven Tracks einen faszinierenden Charakter, spendet den neuen Kreationen Tiefe und Wirkung.
Mustergültig markiert der wuchtig-noisige Opener Conviction zu Beginn den gelungenen Handschlag mit den alten Dark Electro Fans: Die komplexe Nummer mit den typisch verzerrten Vocals erinnert an beste Momente der düsteren 90er, fällt fast etwas aus der heutigen Zeit. Angesichts des Refrains sicher eine der besten VAC-Nummern schlechthin.
VAC-Elemente fusionieren auf Ora Oblivions
Velvet Acid Christ greifen auf Ora Oblivions alles auf, womit sich das Projekt musikalisch in der langen Karriere auseinandergesetzt hat: Dadurch reicht man den Hörern ganz unterschiedliche Elemente an: Ob klassischer Dark Electro, tanzbarer Industrial, Gothic, purer Electro, Industrial Rock oder verträumte Soundlandschaften – die Selbstzerstörung weist auf diesem Album musikalisch viele Gesichter auf. Häufig mehr, mitunter minder gelungen.
Daumen hoch für den genannten Opener, die gelungenen -Schock-Rocker-Momente in Twist The Knife oder im extrem wendungsreichen Trash. Mustergültig und gar nicht so verrückt ziehen hier Gitarren und Elektronik an einem Strang, verleihen den griffigen Songideen Charakter und Kontur.
Dystopie, Ästhetik und Fratzen der Gegenwart
Für dystopische Stimmungen sorgt Adventures In Babysitting The Antichrist. Es erinnert massiv an bündige Kant Kino Tracks und belegt, wie düsterer Electro der Gegenwart klingen kann.
Natürlich zeigt das Projekt auch mal den Stinkefinger: Ob Wrack oder das eindimensionale, auf Clubs geeichte Cog – es klingt wie bereits zu oft gehört. Hier entgleitet der kreative Ansatz etwas – gleichwohl: Handwerklich ist den Tracks wenig vorzuwerfen.
Die geheimen Hits auf Ora Oblivions verstecken sich woanders: zum Beispiel in Form des wunderschönen The Colors Of My Sadness. Mit dem etwas an Sinking von Schnitt Acht erinnernden Pill Box oder mittels Romero wickeln VAC ihre Fans locker um den Finger. Selbst im Wahnsinn bieten die Musiker Raum für Ästhetik, Anmut und balladeske Kreationen – liegt da in der offenen Handfläche etwas Hoffnung?
Fazit: Auf Ora Oblivions spielen Velvet Avid Christ nicht nur mit dem Wahnsinn, sondern mit all jenen musikalischen Facetten, denen die Band bis dato begegnet ist. Oft mündet die destruktive Thematik in besten Düsternummern unterschiedlicher Machart. In weniger gelungenen Momenten des Albums weiß die linke Hand hingegen weniger, was die rechte gerade tut. Derartige Songs befinden sich allerdings in der Minderheit. Haltet Eure Favoriten fest, bevor diese im Irrlicht der Gegenwart entkommen. Es lohnt sich durchaus.
Wertung: 8 von 10 Punkten (8/10)
Ora Oblivions Release Infos
Interpret: Velvet Acid Christ
Label:Metropolis Records
Release: August 2019 2019
Stil: Dark Electro
Tracklisting:
01. Conviction
02. Adventures In Babysitting The Antichrist
03. The Bullet Wins
04. The Colors Of My Sadness
05. Twist The Knife
06. Wrack
07. Trash
08. Romero
09. Conjuro
10. Cog
11. Pill Box
12 . Not Of This Earth
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