Ton aus Strom – kurz und knapp gibt der Titel des dritten Albums von Tension Control die Marschrichtung vor, welche den Fußstapfen von Bands wie DAF, frühen Krupps oder Frontal folgt. Seit 2016 verbessert der Kopf hinter TC seinen Sound stetig, nimmt Hinweise und Feedback ernst. Das mündet in seinem bisher spannendsten Werk. Mehr als zuvor verarbeitet es den Ernst des Lebens.
Tension Control – Ton Aus Strom
Fette analoge Synthesizer und eine vitale organische Rhythmik dominieren den Klang von Tension Control seit dem Start im Jahre 2016. Diese EBM-typischen Stilmittel bestimmen ebenfalls das aktuelle Release.
Doch nach den Werken Im Rhythmus der Maschinen und Fortschritt durch Technik halten einige frische Impulse Einzug: Ton Aus Strom tönt wuchtiger, geht in Hinblick auf die Härte oftmals über die Vorgänger hinaus und trägt mehr dazu bei, die eigene Identität als Band zu formen.
Nicht wenige Inhalte sind ernster, ja düsterer gefasst. Kein Wunder, entstand Ton Aus Strom doch unter dem Eindruck der Lockdowns, die ihre Spuren hinterlassen haben. Weg vom Spaß-EBM hin zu mehr kritischer Kontur, einfach vorgetragen und doch intelligent formuliert.
Minimal-analoge Kraft
Ton Aus Strom vermittelt in Hinblick auf den Stimmeinsatz einen rauen bis fordernden Charakter. Die Titel spielen dabei ab und an mit jenen frechen Betonungen, wie sie in den besseren Nummern der NDW-Zeit zu finden waren.
Für Drive und Kraft sorgen die energetischen analogen Synthies und Drumsounds, welche natürlich den großen Namen wie DAF Tribut zollen (D.A.F. im Plattenbau).
Eine gewisse Nähe zur Zweiten Jugend zeigt sich im säbelnd-bissigen In Neuem Licht, dessen einfache Lyrics dennoch viel Interpretationsspielraum lassen. Rau und minimal, bis aufs Knochenmark reduziert, strahlen die Tracks ihren immanenten Drive aus.
Bissige Lyrics
Dass der Inhalt des neuen Werks von Tension Control sich weg von der Spaß-EBM und den damit verbundenen Klischees (Bier, Stiefel usw.) bewegt, tut Tension Control zweifelsohne gut. So wagt das schleichend-maschinelle Cover von Deutschland, Bleiche Mutter (Der Plan) den skeptischen Blick auf das “kalte” Land.
Eine Antwort auf die Frage Where Is The Revolution? – übrigens kein Cover von Depeche Mode und einer der wenigen englischsprachigen Titel – geben sich Tension Control vorher selbst: Im zynischen Krank, krank zeigt das Projekt gesellschaftliche Präferenzen als Symptom auf. Tempo 200 auf der Autobahn, mindestens drei PKW der Garage, zahlreiche Fernseher in der Bude – solange das geht, ist doch alles gut. Oder etwa nicht?
Geschickt spielt der Musiker dann in Reaktanz mit den Lyrics. Man kann den Titel als Darstellung des gleichnamigen sozial-psychologischen Phänomens sehen – verstärkte Motivation zur Ausübung einer Handlung, nachdem diese nicht mehr möglich ist – oder als trotzigen Reak-Tanz.
Veto, Nein sagen, Dichtmachen, Widerspruch, Distanz, rote Ampel – all dies wird musikalisch auffordernd, stimmlich fast trotzig und jugendlich-punkig dargeboten. Welche Interpretation auch stimmen mag, hier ist der Soundtrack, wenn man mal wieder die Faxen dicke hat.
Fazit: Ob Krank, krank, Reaktanz, In Neuem Licht, Ton Aus Strom oder das fast hoffnungslose Where Is The Revolution? – Tension Control verleihen ihrem DAF-nahen Sound eine düstere und bedrückende Note. Energetische Body Music minimalistischer Spielart gibt das locker her, ohne an Kraft und Wirkung zu verlieren. Vielmehr hat man als Hörer das Gefühl, dass die Aussagen ebenso präzise sitzen wie die Bässe unermüdlich sägen. Und sauber produziert ist das Ganze auch. Gute, geerdete EBM zum Jahresende.
Wertung: 8.0 von 10 Punkten (8/10)
Ton Aus Strom Releaseinfos
Interpret: Tension Control
Release: November 2021
Label: Eigenrelease
Stil: EBM
Tracklisting:
01. Intro
02. Deutschland, Bleiche Mutter
03. In Neuem Licht
04. Shut The Fuck Up
05. Krank, Krank
06. Kraftsport
07. Der Panther
08. Ahoi Herr Kommandant
09. Where Is The Revolution?
10. Ton Aus Strom
11. D.A.F. Im Plattenbau
12. Here We Go – Enjoy The Show
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