Review: Haujobb – ‘New World March’

haujobb_new_world_marchNew World March setzt den eingeschlagenen Weg der Dead Market EP fort. Haujobb reduzieren Nebensächliches, arbeiten Wichtiges konsequent aus und verleihen dem dunklen, neuen Werk ein ungwohntes und organisches Feeling.

Haujobb – New World March

8 Jahre sind eine lange Zeit. So lange brachten Dejan Samardzic & Daniel Myer kein neues Werk mehr heraus. 2008 kündigten Haujobb in Köln zudem ihren Liverückzug an. So konnte man nicht wirklich mit neuem Material rechnen. Dies änderte sich mit der packenden Dead Market EP schlagartig.

Viel mehr als die Rückkehr überraschte dabei der forcierte und entschlackte Sound, gleichwohl war die Haujobb typische Akribie deutlich zu erkennen. New World March setzt diesen Weg fort, offenbart sich als Soundtrack einer degenerierten Welt: szenisch, düster und ob der fragilen Momente auch angreifbar.

Ein Haujobb Psychotrip

Haujobb nehmen sich bei New World March Zeit, ihre Songs zu entwickeln. Und die braucht der Hörer ebenfalls, um in das streckenweise subtile und an drückende Soundtracks erinnernde Album einzutauchen. Der schleichende und atmosphärisch dichte Opener Control offeriert diesen neuen Pfad unterlegt von Harfenklängen, Tracks wie Lost beschreiten ihn konsequent.

Wer sich darauf einlässt, wird auf New World March mit einem elektronischen Psychotrip hochkonzentrierter Machart belohnt. Es fehlt nur der Film zum Album.

Nicht alleine die technische Brillanz und das bandtypische Soundgewitter bestimmt das Hörerlebnis. Nein – der Gegensatz von einfachen, bisweilen schönen Songideen und den dagegen anrollenden dissonanten Attacken macht den Reiz aus. Der Kontrast zieht den Hörer in das Werk, keine Spur mehr der technischen Distanz der Endneunziger, die Klangarchitekten stellen sich.

Das Janusgesicht von New World March

Jedes Element für sich würde nicht seine intensive Wirkung entfalten: Zu poppig wäre der Ansatz des Songwritings an manchen Stellen, zu technisch orientiert die differenzierten düsteren Einschübe – stünden sie denn isoliert im abgedunkelten Raum.

Zusammen aber fusioniert alles zu einem bewegenden Soundbastard, gefühlvoll und bösartig drohend zugleich. Kalt, modern – gleichzeitig bewegend menschlich, streckenweise von einem irritierenden Fiepen, Rattern und Zirpen im Hintergrund unterlegt. Eine defekte Welt tönt so.

Dance to the beat of Your downfall

Die ungewöhnlich klaren und über die Jahre stark verbesserten Vocals tragen die Songs und ringen gerne mit dissonanten Soundschüben. Mal vorsichtig vorgetragen, dann wieder mit wütenden Ausbrüchen, stark zu erleben bei Soul Reader oder der Vorabsingle Dead Market.

Diese organische Momente werden im Albumverlauf durch dosierte Klaviereinsätze und passende Klänge verstärkt. Little World überrascht mit integrierten In The Nursery Strings und entpuppt sich als versteckter “Hit” von New World March.

Ab und an tauchen Sequenzen auf, die im Charakter an Depeche Mode Mitte der 80er Jahre erinnern – die Phase origineller Soundsuche.

Neue Impulse von Haujobb

Bei aller Tiefe zeigt sich New World March nicht unrhythmisch, Let´s Drop Bombs rammt sich auch in einer kaputten Zukunft in die noch funktionierenden Lautsprecher. More Than Us oder Machine Drums injizieren ihr langsam wirkendes, mitunter groovendes Soundgift erbarmungslos. Überraschend der ausladende und fast etwas kitschige Ausflug im Crossfire-Refrain. Er drängt nach mehreren Minuten unerwartet in den Vordergrund.

Die Single Dead Market sticht durch ihre maschinell-melodiöse Machart hervor. Entwickeltes Songwriting, das in der verstörenden Klangumgebung überlebt und seine eigentümliche Gestalt entfaltet.

Erschreckend perfekt, diese neue Haujobb Welt – differenziert, das kennt man, aber um jedes fragwürdige Element reduziert.

Konsequent schließen Haujobb vor dem Outro Echo das Album mit der depressiven Endzeitballade New World March ab. Ergreifend in der Wirkung, sicher nicht positiv in der Aussage, aber dazu herrscht nun wahrlich kein Anlass.

Ein Album, das bereits jetzt polarisiert und definitiv Impulse setzt. Gut so.

Wertung: 9 von 10 Punkten (9/10) Klangwelt Musiktipp

New World March Release Infos

Interpret: Haujobb
Label: Zweieck Recordings
Release: 11.11.2011 (physisch: 28.11.2011)
Stil: EBM/Electro/Avantgarde

Tracklisting:
1. Control 05:19
2. Crossfire 03:56
3. Let´s Drop Bombs 04:54
4. More Than Us 04:18
5. Machine Drum 04:45
6. Dead Market 04:00
7. Lost 04:27
8. Soul Reader 04:11
9. Little World 04:37
10. Membrane 04:15
11. New World March 05:16
12. Echo 03:48

1 Trackback / Pingback

  1. Haujobb – New World March « Christians Fotoblog

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*