Review: High-Functioning Flesh – ‘Definite Structures’

HFF - Definite Structures

HFF - Definite StructuresEine echte Perle für oldschool Fans mit offenem Visier für den akustischen Seitenhieb lieferten High-Functioning Flesh im frühen Sommer 2015 mit ihrem zweiten Album Definite Structures ab. Im Review wird klar, warum sie derzeit neben Youth Code einer der heißesten Überseetipps sind.

High-Functioning Flesh – Definite Structures

Der Aufstieg gelang High-Functioning Flesh überraschend schnell innerhalb von zwei Jahren: 2013 das erste Demo, 2014 folgte das Debüt Unity of Miseries – A Misery Of Unities (u.a. mit dem wunderbar rotzigen Achtungserfolg Self- Management und dem intensiven & schnellen Flash Memory) und 2015 gelang die zügige Fortschreibung mit Definite Structures.

Und ja: Das ist einerseits(!) Musik für oldschool Fans und das bringen die beiden Electropunks G. Vand & S. Subtract – die sich selbst gerne als electronic body mutants bezeichnen – auch deutlich zum Ausdruck.

Sie mögen das Ursprüngliche und Mutige in der elektronischen Musik, jene Phase, die Dissonantes mit Eingängigem verband und den elektronischen Aufbruch spürbar machte. Ganz konsequent stehen Bands wie Cabaret Voltaire und Portion Control im organisch-analogen Soundbild Pate.

Vielschichtiges und doch homogenes Album auf hohem Niveau

Und doch bleibt es nicht bei der Reproduktion des Vergangenen: Zwischen beiden HFF-Alben ist ein Unterschied spürbar – das ohne Zweifel großartige Debüt bot einige offenkundig krachige Titel wie eben Self-Management.

Mit dem neuen Material verortet man sich eher im Post-Industrial-Segment, spielt vorsichtig mit Dubelementen und allerlei subtilen Effekten, die auch mal harmonisch klingen und nicht per Definition invasiv im Ohr herumwildern.

Ein bisschen Pop und Funk (man denke nur an Acts wie Die Warzau) ertönen inmitten der nach wie vor rhythmischen Tracks mit den vollmundigen Vocals. Die Akustik wirkt erneut sehr differenziert, aber dafür nicht so drohend düster, das deutet schon der verspielte Opener Hunger Cries an.

Definite Structures eint im Verlauf vieles: mal ein nativ-blubbernder NEP-Basslauf hier, dann wiederholte rebellische Ausrufe dort oder gar elegante Popfragmente, welche in verschrobenen Harmonien aufgefangen werden – eine nicht berechenbare Mixtur mit extrem hohem Charmfaktor.

Dennoch zeigt sich das Werk unfassbar homogen, die neuen Nummern wirken wie aus einem Guss, was Härte, mittleres Tempo und Stimmung betrifft.

Die Vocals, die sich in Tracks wie Confuse The Call oder The Plung ungemein nahe an PCs Chew You To Bits bewegen, schaffen es immer wieder, den Hörer zu binden und mitzunehmen. Die Kunst kraftvoller bis selektiv geshouteter Erzählung in musikalischer Form.

Mit Afterbirth zieht man das Tempo an und serviert einen klassischen und gradlinig inszenierten EBM/Industrial-Track für die Clubs, der aber passend zu den anderen Titel viele Details und einige weichere – “voltairsche” – Sounds im Hintergrund aufweist.

Intensiver Einsatz von Stimmsamples

Durch das gesamte Album zieht sich, wie schon teilweise beim Debüt vernehmbar, zudem die Freude am Einsatz von Sprachsamples: Rotierend, hängend, gepitcht, ergänzend oder als Konkurrenz zum Leadgesang.

Ein Mittel, das in dieser Form viel zu selten Verwendung findet. Es sorgt für angenehme Unruhe und wird bei Lattice Of Coincidence großartig implementiert. Ein Highlight, das in einem ebenso faszinierenden wie druckvollen Refrain mündet.

Durch die vielen Einflüsse entfernen sich HFF aus dem Dunstkreis jener Bands, die eindeutig als “neo oldschool” gelten, sie lassen Grenzen verschwinden, indem sie Schräges, Tanzbares, ihre Vorbilder und das offene Ohr für Harmonie und Melodie fusionieren.

Und doch schlägt die oder andere oldschool Referenz natürlich durch, dafür sorgt schon das ewige Discipline-Sample beim abschließenden Mistakes Were Made.

Fazit: Wunderbar stimmig, vielfältig inspiriert und extrem homogen vertont, so klingt Definite Structures. High-Functioning Flesh zeigen auf ihren zweiten Album, dass tanzbare Klänge gleichzeitig abgefahren, schräg und mutig klingen können, ohne dabei auf eine gewisse Eingängigkeit verzichten zu müssen. Die gesangliche Nähe zu frühen Portion Control trägt die Songs und verleiht ihnen jene kontrollierte Aggression, die sich perfekt in das bisweilen verspielte und originelle Soundbild integriert.

Wertung: 9 von 10 Punkten (9/10) Klangwelt Musiktipp

Definite Structures Release Infos

Interpret: High-Functioning Flesh
Label: Dais
Release: Mai 2015
Stil: Industrial/EBM/Electropunk/Dub

Tracklisting:
1. Hunger Cries
2. Lattice of Coincidence
3. The Plunge
4. Afterbirth
5. Whispered Steel
6. Grey Scent
7. Confuse the Call
8. Grotesque Light
9. Mistakes Were Made

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