Was treibt Independent-Musiker an und wie überleben sie ?

ArtikelgrafikWas treibt Musiker eigentlich an, die über Jahre hinweg auf individuelle Klänge abseits der leicht vermarktbaren Musik setzen? Wie leben und überleben diese Individualisten, die doch so wichtig für authentischen Ausdruck, Identifikation, neue Themen, Trends und Vielfalt sind? Die Antworten sind sehr unterschiedlich, denn die Situation für alternative Musiker gestaltet sich momentan durchaus schwierig.

Lohn und Ruhm als vorrangige Ziele gängiger Popmusik

Tosender Jubel in vollen Arenen, Personenkult, eine breite Öffentlichkeit und viel, viel Geld – dies ist nur Musikern vergönnt, die es “geschafft haben”. Sie sind Stars, omnipräsent, perfekt inszeniert und steinreich; Berühmtheiten können sich fast jeden Wunsch erfüllen.

Für diesen Erfolg tun sie alles: Ob Outfit, Aussagen, Labelwahl oder sogar der eigene Sound: Aufgenommen wird, was “in” ist und Erfolg verspricht. Der neuste Trend, der kurzlebige Hype gibt die Richtung vor. Nur vermarktbare Klänge zählen, das ist der Preis. Und so entscheiden nicht selten Menschen über die inhaltliche Ausrichtung, die mit Musik an sich weniger am Hut haben.

Natürlich besitzen nicht wenige berühmte Künstler enormes Talent und haben für den Erfolg viel investiert. Ihnen dies abzusprechen, wäre unfair. Ebenso, dass auch die kommerzielle Popkultur mitunter grandiose Nummern hervorbringt. Doch sie sind rar geworden.

Die Filmmusik markiert dabei eine kleine Ausnahme: Hier finden sich seit Jahrzehnten stimmungsvolle Musiken mit Charakter und Ausdruck. Und wenn 2020 wieder die Favoriten für den Oscar genannt werden, dann winkt auch den Komponisten der große Ruhm – die Krönung.

Motivation von Künstlern aus dem Independent-Bereich

  • Independent-Musiker ticken bekanntlich anders: An erster Stelle steht zumeist der Wille, sich auszudrücken oder bisweilen sehr persönliche Erlebnisse zu verarbeiten. Und zwar stilistisch so, wie man es will.
  • Wer sich offenbart und auslebt, tut gut daran, einen Klang nach eigenen Vorstellungen zu kreieren oder sogar etwas Neues zu wagen. Genau dies markiert den Reiz – und bei vorhandenem Talent die Faszination vieler eigenwilliger Projekte.
  • Neue Stile oder gar Trends entwickeln sich daher fast immer im Verborgenen, sehr häufig ist sogenannte Szene-Musik zudem mit eigenwilligen Lebensstilen verbunden. Die Tracks benötigen natürlich beim Hörer ein offenes Ohr sowie die Bereitschaft, sich von den oberflächlichen Mustern gängiger Popkultur zu distanzieren. Die Zielgruppe ist begrenzt, doch die Aussicht, Trends aktiv zu gestalten, motiviert viele Musiker.
  • Immerhin existieren mittlerweile diverse Auszeichnungen für unabhängige Künstler und somit die Chance für wenige Bands, etwas mehr Öffentlichkeit zu erreichen.

Wie halten sich alternative Musiker über Wasser?

Weil die Einnahmen aus klassischen Vertriebswegen (etwa CD- und MP3-Verkäufe) bekanntlich schrumpfen, stellt sich die Frage, ob und wie der individuelle Weg weiter beschritten werden kann.

Neue Lösungen bieten Streaming-Dienste wie Spotify, YouTube oder Amazon Prime Music an. Doch bei diesen verdienen tendenziell die bekannten Bands besser, Einnahmen für kleine Bands sind eher im niedrigen Segment anzusiedeln. Peanuts.

Manch vielversprechendes Projekt streicht nach einem euphorischen Auftakt angesichts dieser Realität die Segel. Andere machen weiter, müssen aber auf die schwierige aktuelle Lage für Künstler reagieren.

  1. Einnahmen kommen derzeit vor allem durch Liveauftritte zustande, weniger durch Musikverkäufe. Selbst im Independent-Bereich rennen diverse Fans allerdings nur zu den großen Festivals, auf denen wiederum mehrheitlich die Größen der jeweiligen Subkultur spielen. Für die kleinen Clubs mit den talentierten Bands ein Problem. Die Mehrheit unabhängiger Acts spielt für kleines Geld, das ist Fakt.
  2. Nicht selten betreiben Independent-Musiker ihr Projekt parallel zu einem “normalen “Beruf, um überhaupt überleben zu können. Dies begrenzt natürlich die Zeit für ihre Vision. Angesichts des persönlichen Engagements kann dies langfristig frustrieren.
  3. Ein Ausweg scheint zu sein, sich von den wenigen, aber sehr involvierten Fans mit hoher Bindung auf Plattform wie Patreon sponsern zu lassen oder auf der Website einen Spenden-Button zu integrieren. Zudem ist es möglich, neue Alben via Crowdfunding zu finanzieren, um zumindest eine gewisse finanzielle Sicherheit zu erlangen. Noch ist nicht klar, ob dies immer funktioniert.
  4. Fans zahlen gerne, wenn sie Exklusives erhalten. Alben in geringer Auflage mit extra Gimmicks verkaufen sich im Vergleich zu normalen Werken meist besser, weil sie die persönliche Identifikation der Hörer antriggern.
  5. Manch unabhängiger Künstler bietet zusätzlich zu seinem Herzblut-Projekt kommerzielle Dienste an, schreibt Musik für Filme, Serien oder Werbespots. Viele kleine und mittlere Filmemacher suchen potente Musiker für ihre Streifen.
  6. Wer ein Instrument beherrscht, gibt vielleicht sogar Anfängern Unterricht und erschließt sich eine naheliegende Einnahmequelle.
  7. Gegenseitiges Remixen ist weit verbreitet. Die kleinen Einnahmen werden zwar geteilt, doch hält sich der Aufwand in Grenzen. Diese Variante funktioniert somit nach dem Eichhörnchen-Prinzip. Ob die Qualität immer stimmt, kann durchaus kritisch diskutiert werden.

Selbstverwirklichung, Lebensstil, Experiment und Kreativität treiben häufig an

Selbstverwirklichung, Begeisterung für und ein hoher Stellenwert von Musik, die Verbundenheit mit ihrer Szene sowie individueller Ausdruck treiben viele Akteure im weiten Independent-Bereich an.

Ob Indie-Rock, Industrial, EBM, Dark Wave, Post Punk, Avantgarde, Psychobilly oder Oi – das Gefühl, dass Musik mehr ist als loser Zeitvertreib, als eine nette Belanglosigkeit zum schnellen Konsum, spielt sicher eine große Rolle, wenn die Interpreten selbst unter widrigsten Bedingungen weitermachen. Ohne diese Sturheit wären Meisterwerke wie beispielsweise Skinny Puppys Worlock schlichtweg nie entstanden:

Dass dieser Weg viel Frust und Engpässe mit sich bringt, hat sich in der digitalen Gegenwart noch verschärft. Zu dem Kampf um eine halbwegs sichere Existenz-Grundlage ist die Konkurrenz um Aufmerksamkeit getreten. Ein hartes Feld für die im positiven Sinne Besessenen.

Hoffentlich gibt es diesen Menschenschlag noch lange, denn sie schaffen Songs und Tracks, welche für andere Individuen Bedeutung haben und eine besondere Wirkung und Intensität besitzen. derartige Charaktermusik widerspricht der Eindimensionalität funktionaler Lebenswege und vorgeschriebener kommerzieller Muster, auch wenn die öffentliche oder institutionelle Würdigung oftmals ausbleibt.



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