Review: Pyrroline – Struggling

Cover Struggling

Cover StrugglingVier Jahre nach In The Dawn of Freedom folgt das fünfte Werk von Pyrroline: Struggling erscheint ambitioniert, nicht nur musikalisch, sondern auch textlich, denn große Namen der Literatur – beispielsweise William Blake, James Montgomery oder E.A. Poe – sorgen für Idee und Kreation. Im selbst gesteckten Rahmen setzt das Projekt diese Inhalte entweder atmosphärisch oder mittels komplex-rhythmischer Arrangements in Szene. Ihre Musik kann dunkles Gefallen beschwören oder den Hörer mittels unheilvoller Dynamik in ihren Bann ziehen.

Pyrroline – Struggling

Struggling erscheint Mitte Februar 2021 auf dem Label Elecro Aggression Records: Hier spannt ein frenetischer Musikfan reflexartig die Lauscher auf, ist es doch bekannt für die sehr selektive und bewusste Auswahl seiner Bands. Denn der Labelchef Nader M. ist selbst jahrzehntelanger EBM- und Dark-Electro-Fan, er weiß, wie wichtig es ist, dass eine Formation ihre Musik lebt.

Es geht immer um Hingabe und Qualität, Zeit und Nerven für ein Release “mal zwischendurch” hat der gute Mann nicht. In dem Sinne hat man wechselseitig eine gute Wahl getroffen, denn EAR sorgt für die professionelle Außendarstellung, Werbung und Vertrieb, Pyrroline hingegen für Vision und deren musikalische Realisierung.

Wer sich den Bands im Genre des klassischen Dark Electros in den letzten Dekaden wieder mehr gewidmet hat, kennt Pyrroline als einen ebenso namhaften wie gut produzierten Vertreter derartiger Klänge.

Akustischer Wechsel von Drohung und Feinfühligkeit

In ihrem “Struggle” geraten Arnte (producing, vocals) & Schmoun (composing, arrangement, vocals) nicht in Angst, Hektik,Panik oder gar blinde Wut. Im Gegenteil, ihre meist düsteren Vision münden in einer strukturierten, phasenweise sehr stimmungsvollen Performance.

Aus der Distanz betrachtet zeigt sich, dass Struggling ein wohl konzipiertes und dadurch sehr ausgereiftes Werk darstellt. Die Musiker beherrschen den Einsatz komplexer Synthflächen ebenso wie drohende Bassläufe, die sich aus der Dunkelheit bedenklich anpirschen. Verspielte, mitunter glockenartige Sequenzen – durchaus gekonnt an Großmeister wie Skinny Puppy angelehnt – lockern dabei auf, beleben Atmosphäre und Wirkung.

Nähert man sich den Nummern im Detail, dann verdeutlicht Struggling sein detailliertes Eigenleben: Bereits der ebenso nüchterne und intelligent konzipierte Opener Decency And Integrity baut Spannung auf. Sehr gefällig legt sich im Verlauf Song Of Deliverance im Gehörgang ab. Eine fast poppige, entfernt an frühe Evils Toy gemahnende Nummer, welche den Zugang für kommende sperrige Momente öffnet.

Denn immer wieder folgen recht brummlige oder gesanglich verzerrte Tracks (Stop Acting So Samll, Suffer, What Might Have Been, Chaos And Order), die in ihrem verschachtelten Design eher szenisch akzentuiert sind und gefühlt eine gewisse Distanz vermitteln. Doch diese Herausforderung gilt es anzunehmen und für sich zu bewerten.

Rhythmische Passagen bringen Struggling hingegen auf Touren, sie beleben die komplexen Soundgebilde. Immer wieder rahmen gelungene bis versöhnliche Refrains die Nummern ab, bieten Halt und Orientierung. Etwa im oben angesprochenen Chaos And Order.

Spiel unterschiedlicher Vocals

Beim Gesang zeigt sich, wie flexibel Pyrroline mittlerweile agieren und sich damit von leidig vor sich herfauchenden Projekten distanzieren: Mal düster-bedrohlich, dann konträr extrem feinfühlig (The Divine Image) intoniert – je nach Charakter der Songs fügen sich die passenden Vocals ein.

Pyrroline tönen rauer, düsterer und traditioneller, wenn Arnte vorträgt, hingegen glasklar, empathisch oder nahezu spirituell (My Rebith), wenn Schmoun die Idee vermittelt. Beide Varianten tragen das Werk, sind für den Gesamteindruck essenziell.

Mitunter tritt eine gewisse morbide Sehnsucht hervor, etwa im durchaus treibenden The Grave. Sie wird gekonnt im Mantel des klassischen, in der 90er Jahren so populären, Dark-Electro-Stils transportiert. Die Flächen dienen dabei keinem Selbstzweck, sie skizzieren den musikalischen Horizont und überlassen dem Hörer dort die individuelle Interpretation.

Hinweis: Die auf 500 Einheiten limitierte Version des Album (2-CD-Digipack) beinhaltet zusätzlich zum normalen 12-Track-Album eine exklusive Bonus-CD. Selbige beinhaltet drei weitere originale Songs von Pyrroline und weitere Remixes aus bester Hand.

Warum beste Hand? Nun, Namen wie Jihad, Sleepwalk, Terminal State, The Opposer Divine, Fix8:Sed8, g.o.l.e.m., Placeobo Effect und Armorphous sind am Start; sie zählen bekanntlich zu den führenden Protagonisten des Genres. Die Beiträge sind mehrheitlich eine Bereicherung, kein Beiwerk.

Fazit: Ob Momente zum “unbehaglichen Wohlfühlen”, in denen die kreierte Stimmung ihre Wirkung subtil entfaltet, oder Phasen der differenzierten Rhythmik – Pyrroline setzen auf dem fünften Album Struggling beide Stilmittel um. Lyrisch von großen Werken inspiriert, haucht das Projekt zahlreichen Songs ein düsteres Eigenleben ein. Raum für geschickt verwobene Melodien öffnet die durchdachte Produktion ebenso wie heimliche Fluchtwege für finstere Passagen, welche eher auf das Abwegige des Genres Dark Electro rekurrieren. Anspieltipps: Song Of Deliverance, Decency And Integrity, My Rebirth, The Grave sowie das instrumentale Atelier Complex von der limitierten Edition.

Wertung: 8 von 10 Punkten (8.0/10)

Struggling Release Infos

Interpret: Pyrroline
Label: Electro Aggression Records – Bezug via Bandcamp
Release: Februar 2021
Stil: Dark Electro

Tracklisting:
01. Decency and Integrity
02. Battleground
03. Song of Deliverance
04. Stop Acting so Small
05. Suffer
06. This Dusky Faith
07. What might have Been
08. The Grave
09. Chaos & Order
10. Nothing Besides You (Psalm 73)
11. My Rebirth
12. The Divine Image

Inhalt Bonus-CD (limitierte Edition):
01. Atelier Complex
02. State Of Things
03. Who Has No Child To Die
04. Stop Acting So Small (Remixed by The Opposer Divine)
05. What Might Have Been (Remixed by Placebo Effect)
06. Song Of Deliverance (Remixed by g.o.l.e.m.)
07. The Grave (Remixed by Sleepwalk)
08. Chaos & Order (Remixed by Amorphous)
09. Battleground (Remixed by Fix8:Sed8)
10. Who Has No Child To Die (Remixed by Jihad)
11. Stop Acting so Small (Remixed by Terminal State)
12. Suffer (Ambient Mix by Placebo Effect)

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