Vor gut einem Jahr ging ein Stück Musikgeschichte zu Ende: The Klinik nahmen in Berlin vor vollem Haus Abschied, sie boten nochmal das Beste aus ihrem rhythmischen und minimalen Gebräu, welches die belgische EBM-Variante so mitbestimmte. Ein kompletter Mitschnitt lässt den Abend Revue passieren.
The Klinik und der Bühnenabschied in Berlin
Das Ende einer Ära, so konnte man den letzten The Klinik Auftritt am 27.12.2014 in Berlin ohne Übertreibung bezeichnen. Die legendären belgischen Electro/Industrial-Pioniere nahmen Abschied im Berliner Club Bi Nuu.
Nachdem Gründer Marc Verhaeghen sich bereits 2009 aus gesundheitlichen Gründen von den The Klinik Liveauftritten zurückgezogen hatte (er wurde von Peter Mastbooms vertreten), beendet die Kultformation nun ihren Weg endgültig: Sie spielte ihre Last Show – und das ließen sich viele Anhänger nicht entgehen.
Ein Abend mit Energie, kühl-minimaler Elektronik und pulsierender Rhythmik, begleitet von Videoinstallation im Hintergrund. Einen würdigen Nachfolger mit eigenem Profil präsentierte man mit No Sleep By The Machine im Vorprogramm obendrein.
Würdiges Finale
Dirk Ivens und Peter Mastbooms agierten traditionell in schwarzen langen Mänteln. Natürlich waren ihre Köpfe mit Mullbinden bandagiert – ein zeitloser Aspekt des Gigs mit retrospektivem Flair und zahlreichen Klassikern wie etwa Moving Hands.
Fans erlebten einen Abend, der alles bot, was typisch für die Musiker und ihren reduzierten, bisweilen klaustrophobischen Ansatz war. Nun liegt, ein Jahr später, ein qualitativ ansprechender Liveclip vor, der nicht nur The Klinik Hardcorefans ansprechen dürfte.
Komplettes Livevideo der Last Show
The Klinik – ein kurzer Blick zurück
1984/1985 gründete M. Verhaeghen das Projekt The Klinik zunächst alleine, schnell kamen Dirk Ivens und Eric van Wonterghem (Absolute Body Control) sowie Sandy Nijs (Maniacs) dazu – sie nannten sich Absolute Controlled Clinical Maniacs.
Letztgenannte Mitglieder verließen die Band recht zügig, sodass Dirk Ivens und Marc Verhaeghen als Duo übrig bleiben und sich wieder zu The Klinik umtauften.
Nach kurzer Zeit beeinflussten sie mit ihren reduzierten Konstruktionen den belgischen EBM-Sound deutlich, mehr noch: Sie definierten diesen mit.
Weniger ist mehr, das schimmert bei ihren Tracks immer wieder durch, deren gefühlte fiebrige Kälte durch die gewählte Monotonie unentwegt zunimmt und vom Hörer Besitz ergreift.
In den 80er Jahren definierten Marc Verhaeghen und Dirk Ivens mit dieser Herangehensweise, die neben dem Minimalismus stets einen Blick in die raue Industrial-Landschaft erlaubte, einen Sound, den es noch nie zuvor in dieser Form gegeben hatte.
Treibende und fordernde Titel wie Go Back, Moving Hands, das leicht verrückte Brain Damage oder Black Leather sorgten und sorgen für Betrieb auf den alternativen Clubfloors.
Die schleppenden Sick In Your Mind oder Pain And Pleasure gelten als zeitloser Klassiker der Industrial-Musik und werden bis zum heutigen Tage auf passenden Events gefordert und gespielt.
“Klinische” Auftritte in Mullbinden
Auch live wussten die Belgier zu punkten: Ihre gespenstischen und erlebnisreichen Liveshows, bei denen die Bandmitglieder komplett bandagiert in langen, schwarzen Ledermänteln auftraten, sind legendär.
Nicht selten intensivierten The Klinik die Titel auf der Bühne nochmals, die mitunter fanatischen Fans dankten es ihnen mit einer treuen Anhängerschaft und einem bis heute spürbaren Kultstatus.
Nicht wenige Bands der jungen EBM/Industrial-Generation nennen The Klinik als Inspiration, das 2013er Album Eat Your Heart Out zeigte zudem, dass die Musiker bis zum Schluss ihren Ansatz konsequent verfolgten.
Und so durfte man unlängst etwa Mindswitch häufiger in guten Clubs vernehmen. Die Band mag sich zurückgezogen haben, das Erbe bleibt.
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