Review: Front Line Assembly – Improvised Electronic Device

front line assembly coverImprovised Electronic Device – das lange erwartete neue Werk von Bill Leeb und Co. liegt vor. Die Vorabsingle Shifting Through The Lens heizte bereits stark ein und kündigte mit Angriff die Rückkehr der Gitarren im musikalischen Mix von Front Line Assembly an.

Front Line Assembly – Improvised Electronic Device

Ein Streifzug durch die Geschichte von Front Line Assembly: Improvised Electronic Device vereint den Sound gleich mehrerer Etappen, fokussiert aber besonders auf den Zeitraum von 1992-1996. Komplex, dennoch eingängig in der Songführung und verstärkt mit Gitarren unterlegt.

Dazu treten moderne Einflüsse, welche die jüngeren Front Line Assembly Mitglieder einbringen. Heraus kommt ein sehr gutes Album, das mit Caustic Grip oder Hard Wired aber nicht auf eine Stufe zu stellen ist.

Komplexe Soundgewitter

Der Titelsong I.E.D. wartet nach stimmungsvollem Intro mit einem verschachtelten 5/4-Takt auf. Fast wiegt man sich in Sicherheit, dann brechen elektronisch verfremdete Gitarren und angriffslustige Vocals über den Hörer zusammen. Der mit dosierten Effekten ausgestattete Gesang von Bill Leeb klingt wieder tiefer und druckvoller, weit entfernt von der Schlafzimmer-Fistelstimme, die Ende der 90er doch recht schlaff wirkte.

Das bereits bekannte Angriff setzt die gitarrige Linie fort und provoziert durch die Machart tatsächlich Vergleiche mit der Millenium und Hard Wired Phase. Das liegt aber nicht nur am Sound, der Song verdichtet sich in einem gewaltigen Refrain, der genau die melodiöse Qualität der frühen 90er bietet. Eine musikalische Drohung und ein Kind der modernen Welt.

Front Line Assembly greifen Hard Wired und Millenium auf

front line assembly promo 2010Und von dieser Art ruppiger Midtemposongs bietet Improvised Electronic Device eine ganze Batterie: Angriff, Pressure Wave, Release – vor allem aber das herausragende Laws Of Deception sind hymnische Ohrwürmer. Hier harmoniert Songwriting und musikalisches Arrangement der Electro-/Industrialpioniere auf Topniveau.

Stupidity treibt den Gitarreneinsatz auf die Spitze: Der von Al. Jourgenson ausgespuckte und auch produzierte Song klingt nicht zufällig nach Ministry und hätte deren letzte Alben tatsächlich aufgewertet. Ein cooler, explodierender High-Speed-Track, der aber nicht das eigentliche Highlight der CD ist. Dazu liegt er zu sehr fernab des Gesamtflusses des Albums.

Stimmungsvolle Highlights auf Improvised Electronic Device

Die eigentliche Überraschung ist das sehr melancholische und sogar mit dezenten Country-Elementen versehene Afterlife. Der sehr persönliche Song ist dem verstorbenen Vater von Bill Leeb gewidmet und verbreitet eine immense Tiefe.

Ein Leckerbissen für F.L.A. Fans, die Lieder wie Lifeline oder Infra Red Combat verehren.

Das szenische Downfall erinnert gegen Ende der von I.E.D. hingegen an die Fähigkeit von Front Line Assembly, komplette und kinotaugliche Soundtracks locker aus dem Ärmel schütteln zu können. Großartig.

Wenige Schwächen

Ein paar Kritikpunkte finden sich dennoch: Viel Drum & Bass Gespiele führt bei Hostage schnell zu einem genervten Fingertrommeln. Dies endet erst, wenn der etwas lieblos wirkende Song vorüber gezogen ist. Es ist immer ein schmaler Grad zwischen aufgelockerter, verspielter Rhythmik und hyperaktivem bis nervösem Geklopfe.

Zeitweilig wünscht man sich, dass die Stimme von Bill Leeb etwas lauter produziert wäre, so stark offenbart sich der akustische Gegenspieler aus komplexer Elektronik und tiefer Gitarre.

Shifting Through The Lens – der Clubhit

Klang Shifting Through The Lens zunächst nach einem guten und tanzbaren Electro/EBM Song Marke Nummer sicher, so stellt man erfreut fest, dass die Nummer mit jedem Durchgang besser wird. So einfach – so modern – so effektiv. Die Single fräst sich in die Gehörgänge, jeder Effekt passt und die Aufforderung zur Bewegung lässt ein Nein nicht zu.

Fazit: Improvised Electronic Device ist das beste F.L.A. Album seit langer Zeit. Es auf eine Stufe mit den 90er Kultalben zu stellen, wäre übertrieben, das Werk kommt diesen in einigen Phasen aber verdächtig nahe. Andere Bands sollten vom Gitarreneinsatz allerdings die Finger lassen – das ging in den 90ern schon schief.

Wertung: 8.5 von 10 Punkten (8.5/10)

Improvised Electronic Device Informationen

Artist: Front Line Assembly
Album: Improvised Electronic Device
Label: Dependent
Spieldauer: 60:14
Erschienen: 25.06.2010

Tracklist:
1. I.E.D.
2. Angriff
3. Hostage
4. Release
5. Shifting Through The Lens (edit)
6. Laws Of Deception
7. Pressure Wave
8. Afterlife
9. Stupidity (feat. Al Jourgensen)
10.Downfall



"

3 thoughts on “Review: Front Line Assembly – Improvised Electronic Device”

  1. shan_dark sagt:

    Wirklich gute und ausführliche Rezension.

    Ich bin leider von dem Album nicht sehr begeistert. Das liegt vor allem zu gitarrenlastigen Einschlag und der Ähnlichkeit zur Millenium, die eigentlich fast das einzige Album ist, was mir von FLA nicht gefällt. Und die elektronischen Sachen klingen nicht wirklich neu.

    “Hostage” gefällt mir sogar noch ganz gut ;o), auch “Shifting through the lens” und “Afterlife”. Ansonsten bringt mich das Album aber leider nicht in Wallung oder in Kaufzwang. Werde mir FLA trotzdem live ansehen aufm Amphi.

    Mein FLA-Highlight in den letzten Jahren war die “Civilization”, die wirklich mal NEU und anders klang. Ein wunderbares Werk.

    1. klangwelt sagt:

      Die Civilization gefiel mir von den neueren Alben seit Hard Wired ebenfalls mit am besten – extrem stimmig, weitläufig, dazu mit Maniacel und Fragmented zwei richtige Hits an Bord.

      Dass die Gitarren bei I.E.C. polarisieren werden, war zu erwarten und ich kann diejenigen durchaus verstehen, die damit wenig anfangen können.

      Bei F.L.A. verleihen sie dem Ganzen ne Note, die zumindest mir zusagt. Dabei hat mir der gitarrige Einfluss bei Bands wie etwa Pouppée Fabrikk und Armageddon Dildos in den 90ern überhaupt nicht gefallen und ich hoffe auch nicht, dass elektronische Formationen jetzt wieder verstärkt zu diesem Stilmittel greifen. Das würde sicherlich Soundklumpatsch geben.

      Sollte ich ein F.L.A. Überalbum wählen, wäre es vermutlich Caustic Grip .

      Auf jeden Fall viel Spaß mit F.L.A. auf dem Amphi!

  2. shan_dark sagt:

    Na, da sind wir uns ja einig: CAUSTIC GRIP ist auch aus meiner Sicht das Beste. Aber auch TACTICAL NEURAL IMPLANT und die FLAVOUR OF THE WEAK mag ich auch sehr. Bei CIVILIZATION war ja auch der Rhys Fulber wieder mit am Start, was man dem Werk anhört.

Schreibe einen Kommentar zu klangwelt Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert