Review: Tobias Bernstrup – ‘Technophobic’

Technophobic Cover

Technophobic CoverTobias Bernstrup ist vielen Musikfans vor allem durch seine Remixe und Kollaborationen mit Trans-X, Apoptygma Berzerk, Martial Canterel, Xeno & Oaklander sowie Lebanon Hanover aufgefallen. Doch er wirft viel Eigenes in die so oft beschworene Wagschale: Sein 2018er Album Technophobic ist als optisch-akustische Gesamtaussage zu begreifen. Dabei agieren eigenwillige Ideen, eine hervorragende Produktion, gekonnte Zitate und die bewusste Selbstinszenierung zusammen.

Tobias Bernstrup – Technophobic

Im Oktober 2018 erschien das Tobias Bernstrup Werk Technophobic auf dem Nadanna Label. Das sagt schon etwas über die Musik aus, denn Nadanna bringt besonderen Electropop heraus. Durchaus eingängige Musik, welche gerne mit klassischen Synthpop-Linien, aber ebenso mit Italo Disco Elementen spielt. Songs nicht nur für die Szene, sondern eigenwilliger Dance für jene Menschen, welche mit einem weiten Horizont gesegnet sind.

Beim Künstler Tobias Bernstrup nur die Musik zu beachten, greift allerdings zu kurz. Die Tracks stehen im Zusammenhang mit seinem androgynen Auftreten, mit der offenkundigen Vorliebe für Latex und aufwendige Kosmetik. Der Performer eint acting und overacting, inszeniert sich als Kunst in der Kunst.

Anfangs vielleicht etwa gewöhnungsbedürftig, aber durchaus gekonnt. Seine leicht schrägen und doch sensiblen Gesangslinien hauchen den tanzbaren elektronischen Nummern nach dem tollen Synthpop-Intro Night In The Science Zone oftmals Leben ein. Leben abseits der Norm, mal künstlich unter Neonlicht, mal queer oder einfach eingängig-elegant im Vortrag. Vielfarbiger Pop.

Retrospektiv und zeitgleich futuristische anmutend, bieten die vergleichsweise brave Midtempo-Single Utopia sowie der Anspieltipp Metropolis of Tomorrow einen hohen Erkennungswert. Zweitgenannte Nummer holt den französischen Dark Wave Act Hante dazu. Der Einfluss passt, er verleiht der Nummer eine intensive Dramaturgie.

Italo Disco, Synthpop und Gothic Noir

Der eigenwillige Mix aus Italo Disco, Synthpop und Gothic Noir funktioniert mehrheitlich, wenn die Impulse sich in bündigen Songs vereinen. Schnell überzeugen der Titeltrack, Doesn´t Matter und das rhythmische Instrumental Redundant mit exakt platzierten und wunderbar glasklaren Sequenzen.

Die Ideen gehen ins Ohr, man fühlt sich beim Lauschen heimisch. Insofern verspricht Tobias Bernstrup nicht zu viel, wenn er als ‘leading re-inventor of Italo Disco’ auftritt. Großartig setzt er das mit Hear Me Calling um. Der Track würde problemlos auf jede gute Italo Disco Compilation der 80er passen. Fast jeder würde denken:”Ja, das kenne ich von damals, cool.”

Obgleich musikalisch anders gelagert und weniger schrill im Gesang, liegen Vergleiche zu IAMX alleine schon vom exzentrischen Auftreten nahe. Kunst, Selbsterschaffung und Aussage sind aus der Musik nicht wegzudenken. In Hinblick auf die Vocals kann T . Bernstrup in ein paar Momenten sicher noch aufholen. Titel wie Something To Believe In benötigen noch das gewisse Etwas, sie plätschern zu glatt vor sich hin.

Insgesamt fällt aber der extrem gut produzierte und homogene Charakter von Technophobic ins Auge. Noch dominiert das Eingängige, vielschichtig inszeniert und lassiv-elegant vertont. Tritt die ein oder andere passende “Kante” hinzu, dann wird es richtig spannend.

Fazit: Ein Gesamtkunstwerk: Anspruch, Optik, musikalische Inspiration, künstlerisches Konzept und textliche Inhalte funktionieren im Zusammenspiel. Sie lassen sich schwer trennen und als isolierte Instanz betrachten. Dezent schwingt somit die Gefahr mit, dass die Musik durch die glamouröse Optik in den Hintergrund rückt, weil sie (nur) einen Teil der Botschaft darstellt. Es mag dadurch etwas dauern, bis der Ansatz funktioniert, aber dann überzeugt die eigenwillige Anmut des eingängigen Albums. Noch fehlt der Türöffner-Track, um die durchaus möglichen größeren Publikumsschichten zu erreichen. Doch die Chance dazu ist vorhanden, die Idee ebnet den Weg.

Wertung: 7.5 von 10 Punkten (7.5/10)

Technophobic Release Infos

Interpret: Tobias Berstrup
Label:Nadanna
Release: Oktober 2018
Stil: Electropop/ Italo Disco

Tracklisting:
01. Night In The Science Zone
02. Doesn’t Matter
03. Metropolis Of Tomorrow
04. Technophobic
05. Something To Believe In
06. Hear Me Calling
07. Everything Is Wrong
08. Utopia
09. Uncanny Valley
10. Redundant
11. Doesn’t Matter – MAKiNA GiRGiR Remix
12. Technophobic – Techniques Berlin Remix
13. Everything Is Wrong – Confrontational Remix
14. Uncanny Valley – Nao Katafuchi Remix
15. Utopia – Italoconnection Remix
16. Utopia – Flemming Dalum Remix
17. Utopia – 23rd Underpass Remi
18. Utopia – Covenant Remix

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