Depeche Mode: Ghosts Again – wie klingen Dave Gahan & Martin Gore 2023?

Depeche Mode – Ghosts Again

Depeche Mode – Ghosts AgainViele Diskussionen, kontrastierende Erwartungen, der Countdown zu einem Countdown sowie einiges an Ungeduld ging der neuen Single Ghosts Again von Depeche Mode voraus. Endlich liegt der neue Song seit dem 09.02.2023 mitsamt Video vor. Es ist völlig klar: Die Meinungen gehen ebenso sicher auseinander wie die geballten, teils komplett überladenen Ansprüche, denen sich neues Material der Briten stets ausgesetzt sieht.

Depeche Mode – Ghosts Again

Sechs Jahre ist es her, dass Depeche Mode mit der Single Where Is The Revolution und dem anschließenden Album Spirit samt sehr gelungener Tour ihren eigenen Kult am Leben erhielten. Ein Album im – seit den 2000ern gewohnten – fast schon routiniert-bequem wirkenden Vierjahres-Rhythmus mit Highlights und Hängern.

Seitdem ist viel passiert: global, wirtschaftlich, gesellschaftlich und bei vielen wohl auch individuell. Es sind mehr als unruhige Zeiten, in welchen die Band im Jahre 2022 mit Andrew Fletcher tragischerweise auch noch jenes Gründungs-Mitglied verlor, welches für den Zusammenhalt verantwortlich zeichnete. Lange schien es unklar, ob und wie es mit Depeche Mode weitergeht.

Dass Dave Gahan und Martin Gore die Band dennoch zu zweit – live komplettiert durch Peter Gordeno und Christian Eigner – weitertragen, war eine der wenigen guten Nachrichten der letzten Zeit. DM, das heißt jetzt Dave und Martin im fortgeschrittenen Alter, fast schon prophetisch im Video zu Enjoy The Silence vorweggenommen.

Ob ein zweifacher Countdown zum Release von Ghosts Again jetzt der Bringer oder eine streitbare Social-Media-Strategie war, sei mal dahingestellt. Zumindest scheint es hilfreich, den neuen Song erst mal in Ruhe auf sich wirken zu lassen. Immerhin ist der eingängige Refrain ja schon von der Presskonferenz in Berlin bekannt, eine musikalische Tendenz der Single offenbarte sich bereits dort.

Video: Ghosts Again

Für das symbolbeladene Video ist erneut der langjährige Depeche-Mode-Wegbegleiter Anton Corbijn verantwortlich, es hätte in seiner schwarz-weißen Ästhetik typischer kaum ausfallen können.

Erste Einschätzung zu Ghosts Again

Ghosts Again zeigt sich als elektronisch betonter Midtempo-Popsong mit den nach wie vor sehr lebendigen und ungewöhnlich nahen Vocals von Dave Gahan. Ein sehr zugänglicher Track sogar, welchem sicher kein Mangel an Melodien vorzuwerfen ist. Ein Depeche-Mode-Popsong im Jahre 2023, der sogar abseits des nach wie vor enorm großen Fankerns von DM funktionieren kann.

Leichter Zugang

Glücklicherweise ist es nicht nötig, sich in die neue, entspannt tanzbare Depeche-Mode-Single “hineinzukämpfen”. Bereits im ersten Durchgang lässt sich in den fast etwas naiv anmutenden Charme der eingängigen Nummer eintauchen. Der ruhigen, nachdenklichen ersten Strophe folgt eine sukzessive Steigerung: im Arrangement, im begleitenden Gitarrenspiel, in den kleinen Melodien sowie in Form des melancholischen Refrains mit hohem Wiedererkennungswert.

Obgleich der Albumname so düster und gedankenschwer daherkommt, umgibt die erste Auskopplung Ghosts Again eine spielerische, mitunter positive Leichtigkeit – eine bittere Süße. Dabei verträgt sich die Single vermutlich gut mit Nummern wie beispielsweise Precious.

Depeche Mode vermitteln hier gefällig-nostalgische Popmusik mit Charakter, weniger die mollgeprägte Schwermut und gewaltige Tiefe klassischer Depeche-Mode-Tracks bis SOFAD. An diesen innovativen Kult kann oder will das Duo nicht anknüpfen.

Eine “sichere” Single von Depeche Mode

Denn um wegweisende Soundexperimente, die Kreation innovativer Klänge oder manuelles Sampling geht es natürlich schon länger nicht mehr. Dazu fehlen prägende Produzenten wie Gareth Jones, David Bascombe oder Flood. Und natürlich die Akribie und Magie Alan Wilders.

All das ist bekannt, die Tendenz von Depeche Mode Richtung Pop/Rock seit den 2000ern stellt eine bewusste, durchaus erfolgreiche Entscheidung der Band dar. Daraus resultiert jener Abschnitt der Bandhistorie, welcher u. a. Highlights wie Precious, Free, John The Revelator, Wrong, Corrupt, Soothe My Soul, Alone, Broken, Where´s The Revolution, So Much Love oder Going Backwards umfasst.

Verortet im elektronischen Pop mit typischem Flair

Seine Verortung im (Synthie-)Pop ohne epochales Flair schadet dem neuen Song insgesamt aber nicht: James Ford (bereits für Spirit als Produzent im Einsatz) und Co-Produzentin Marta Salogni leisten eine – wohl auch kommerziell – funktionierende Soundauswahl.

Die eigenwillige Abmischung scheint Depeche Mode wiederum angemessen, ja fast typisch. Denn der Mix setzt die Idee des Songs mit seinen Hooks, analogen Synthparts und final-hallender Mehrstimmigkeit wohlig in Szene. Fans erkennen ihre nun doch sehr reifen Jungs sofort – auch das ist wichtig.

Endlich wartet ein neuerer Depeche-Mode-Track mal wieder mit einer betont einfachen, aber doch ansprechenden Rhythmik auf. Ein Merkmal, das auf den letzten Alben diversen Nummern mit viel Potenzial wie beispielsweise Hole To Feed leider fehlte. Oder provokant formuliert: solider Rhythmus statt Geklacker.

Wer also nicht mehr den epochalen Kult oder die bedeutsame hymnische Schwere der prägenden Zeit von 1984 bis 1993 erwartet, aber dennoch strukturierte elektronische Popmusik mit dem typischen Flair von Dave und Martin schätzt, sollte zu diesem schlichtweg schönen Song einen Zugang finden. Nur mit Superlativen im positiven und negativen Sinne gilt es, vorsichtig umgehen.

Was sagt die erste Depeche-Mode-Single 2023 über Memento Mori aus?

Ob die erste Single nun stellvertretend für das ganze, bald folgende Album Memento Mori steht, kann hingegen bezweifelt werden. Immer wieder haben Depeche Mode es geschafft, auf ihren Werken unterschiedliche Stimmungen und Ideen auszuloten. Die ganze Katze lässt Ghosts Again sicher nicht aus dem Sack.

Es ist die letzten Jahre einfach zu viel passiert, als dass sensible Gemüter wie Martin Gore dies nicht künstlerisch aufgreifen und ihren inneren Bildern und Reaktionen akustischen Ausdruck verleihen müssten. Aber auch das ist nur eine von vielen individuellen Erwartungen, etwas, das aus Fanperspektive von außen herangetragen wird.

Aus der ersten, heute mit Video veröffentlichten Single resultiert der unter Anhängern lebhafte, angesichts persönlicher Bedeutung und subjektiver Interpretation, teils sehr emotionale Austausch. Das war ein kleiner Beitrag dazu.

Depeche Mode Links

zur deutschen Depeche Mode Site

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